Wie verändern Hörprobleme den Alltag eines Kindes?
Ein Hörverlust kann sich stark auf den Alltag eines Kindes auswirken. Andere bemerken die Einschränkung vielleicht nicht, und es entstehen Missverständnisse. Oder sie interpretieren das Verhalten des Kindes fälschlicherweise als Unaufmerksamkeit und schimpfen mit ihm. Manche Kinder schämen sich dann oder verlieren an Selbstwertgefühl. Hörprobleme können sich auf die folgenden Bereiche auswirken:
Was verändert sich im familiären Alltag?
Die Hörprobleme eines Kindes haben Auswirkungen auf die ganze Familie. Eltern müssen z. B. besonders aufmerksam sein, damit ihr Kind alles Wichtige mitbekommt. Und auch die Geschwister müssen oft Rücksicht nehmen.
Ein Hörverlust kann die Familie außerdem emotional belasten. Die Eltern fühlen oft Unsicherheit, Sorgen oder Schuldgefühle. Sie müssen auch ihren Tagesablauf mehr nach dem Kind ausrichten: Regelmäßige Arzttermine und Hörtests kosten viel Zeit. Abstimmungen mit Kindergarten, Schule und Vereinen sind nötig.
Die Hörprobleme haben auch Einfluss auf die Erziehung. Viele Eltern fragen sich: „Wie viel kann ich meinem Kind zutrauen? Kommt das Problem durch die Hörprobleme oder etwas anderes? Und wie kann ich unterstützen, ohne zu viel zu helfen?“ Die Unsicherheit kann dazu führen, dass Eltern zu viel Rücksicht nehmen oder zu hohe Erwartungen haben. Hier gilt: Eine gesunde Balance ist wichtig.
Wie kann ich mein Kind unterstützen?
Verschiedene Ansätze helfen dabei, ein Kind mit Hörproblemen bestmöglich zu unterstützen.
Welche Hilfsmittel gibt es?
Auch wenn Hörprobleme nicht geheilt werden können, gibt es viele Möglichkeiten, das Kind zu unterstützen. Dazu gehören auch technische Hilfsmittel. Welche sich eignen, hängt vom Schweregrad der Hörprobleme und den individuellen Bedürfnissen ab.
Um geeignete Hilfsmittel zu finden, führen Fachkräfte – idealerweise Pädaudiolog:innen oder HNO-Spezialist:innen – Hörtests durch und beraten das Kind und seine Familie. Wenn das Kind nicht vollständig taub ist, können folgende Hilfsmittel das restliche Gehör verbessern:
- Verstärkt Töne, aber das Gehörte kann ggf. verzerrt sein
→ Bei Problemen können auf Kinder spezialisierte Hörakustiker:innen weiterhelfen. - Sprache und Lärm können in lauter Umgebung nicht unterschieden werden.
- Nutzung und Pflege können für das Kind herausfordernd sein und sollten geübt werden.
- Hörgeräte sollten nach der Eingewöhnung ganztägig (außer nachts) getragen werden, damit das Gehirn aktiv bleibt und das Kind sein bisheriges Sprachverständnis beibehält.
- Wenn das Kind zusätzlich Tinnitus hat, gibt es auch moderne Hörgeräte mit spezieller Tinnitus-Maskierungsfunktion.
Wichtig zu wissen: Viele Kinder möchten anfangs ihr Hörgerät nicht tragen, weil sie sich damit stigmatisiert fühlen. Es ist hilfreich, geduldig zu sein und ihnen Zeit zur Gewöhnung zu lassen. Gerade kleine Kinder profitieren langfristig enorm von einem Hörgerät, weil es ihnen beim Spracherwerb hilft.
- Wandelt Geräusche in Signale um, die direkt an den Hörnerv weitergegeben werden
- Eignet sich für Kinder mit stärkeren Hörproblemen, denen Hörgeräte nicht reichen
- Operation erforderlich
- Regelmäßige Wartung notwendig
- Wenn das Kind zusätzlich Tinnitus hat, gibt es auch moderne Hörgeräte mit spezieller Tinnitus-Maskierungsfunktion
Wichtig zu wissen: Viele Kinder möchten anfangs ihr Hörgerät nicht tragen, weil sie sich damit stigmatisiert fühlen. Es ist hilfreich, geduldig zu sein und ihnen Zeit zur Gewöhnung zu lassen. Gerade kleine Kinder profitieren langfristig enorm von einem Hörgerät, weil es ihnen beim Spracherwerb hilft.
- Sprechende Person (z. B. Lehrer:in) trägt Mikrofon und Sender
- Kind trägt Empfänger, der das Funksignal in ein hörbares Signal umwandelt
- Verbessert das Verstehen von Sprache und filtert Hintergrundgeräusche heraus. Dennoch ist es wichtig, die Raumakustik z. B. durch Schalldämmung zu optimieren.
- Geeignet für laute Umgebungen, z. B. Klassenzimmer
- Benötigt Strom oder Batterien
- Begrenzte Reichweite und mögliche Störungen
- Erfordert Training der anwendenden Personen
Damit die Krankenversicherung solche Hilfsmittel bezahlt, muss ein HNO-Arzt oder eine HNO-Ärztin den Hörverlust diagnostizieren und ein Rezept dafür ausstellen. Pädaudiolog:innen oder HNO-Spezialist:innen führen dann genaue Hörtests durch, um das Ausmaß und die Art des Hörverlusts zu bestimmen. Anschließend passen Hörakustiker:innen das Hilfsmittel für das Kind an. Es lohnt sich, nach guten Hörakustiker:innen mit Spezialisierung für Kinder zu suchen, da Fachkräfte für Erwachsene hauptsächlich mit Altersschwerhörigkeit zu tun haben.
Aber auch ohne solche Hilfsmittel können betroffene Kinder einige Strategien nutzen – z. B. aus einem Hörtraining (Audiotherapie) oder einem Sprachtraining (Logopädie). Sie können außerdem Gebärdensprache oder Lippenlesen lernen. Es gibt auch Workshops oder Fortbildungen, in denen Kinder Hörtaktiken erlernen können.
Kindern mit Hörproblemen, die besonders unter einem Tinnitus leiden, können auch Sound-Apps mit beruhigenden Geräuschen, Naturklängen oder individualisierten Tinnitus-Sounds helfen. Außerdem können verhaltenstherapeutische Angebote dazu beitragen, die psychische Belastung (z. B. Stress und Angst) durch Tinnitus zu reduzieren. Dadurch kann das Gehirn langfristig lernen, Tinnitus weniger wahrzunehmen.
Hat das Kind gleichzeitig Gleichgewichtsprobleme, können Physiotherapie oder Gleichgewichtsübungen dazu beitragen, das Gleichgewicht zu verbessern.
Das können Eltern tun:
- Rechtzeitig ein Treffen mit Lehrer:innen und Erzieher:innen vereinbaren, z. B. zu Beginn des Schuljahres oder direkt nach der Diagnose
- Verständlich und möglichst ohne Fachbegriffe erklären, wie schwer die Hörprobleme sind und was das bedeutet
- Darlegen, was das Kind gut kann und wo es Unterstützung braucht
- Konkrete Tipps für den Alltag geben, z. B. deutlich sprechen, nachfragen, geduldig sein
- Evtl. einen Merkzettel oder Flyer mit Tipps zur Erinnerung dalassen
- Signalisieren, dass sie bei Fragen oder Problemen zur Verfügung stehen
Wie gelingt der Umgang in Schule/Kindergarten oder am Ausbildungsplatz?
Wenn ein Kind mit Hörverlust nicht in einen speziellen Kindergarten oder Schule für Gehörlose gehen kann, braucht es auch die Unterstützung durch Lehrkräfte und Erzieher:innen. Eltern können das fördern, indem sie von Anfang an offen und verständlich mit den Verantwortlichen über den Hörverlust sprechen. Dann können die Lehrer:innen und Erzieher:innen besser dafür sorgen, dass sich das Kind in Schule oder Kindergarten wohlfühlt und mitmachen kann.
Außerdem kann das Kind in der Schule einen sogenannten Nachteilsausgleich bekommen. Das ist keine Sonderbehandlung, sondern eine Unterstützung, damit das Kind seine Möglichkeiten ausschöpfen kann. Es bekommt z. B. mehr Zeit für Aufgaben, längere Erholungspausen, einen Sitzplatz, der sich akustisch und von den Lichtverhältnissen her gut eignet, visuelle Arbeitsmaterialien etc. Meist reicht dafür ein formloser Antrag bei der Schule.
Wichtig ist eine individuelle Förderung, die sich an den Stärken und Interessen des Kindes orientiert. Wenn möglich, arbeitet die Schule oder der Kindergarten dafür mit der Hörfrühförderung oder einer Schulbegleitung zusammen.
Jugendliche Hörgeschädigte haben grundsätzlich auch ein Recht auf einen Nachteilsausgleich durch den Arbeitgeber (z. B. technische Hilfen, Gebärdensprachdolmetscher, Untertitelung bei Schulungen). Die Pflichten des Arbeitgebers unterscheiden sich jedoch und hängen von der Zumutbarkeit und den gesetzlichen Vorgaben ab. Jugendlichen Hörgeschädigten, deren Schwerbehinderungsantrag genehmigt wurde, steht am Ausbildungs-/Arbeitsplatz je nach Grad der Schwerbehinderung ggf. ein erhöhter Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und die Unterstützung durch Integrationsfachdienste zu.
Was hilft Eltern oder Bezugspersonen im Alltag?
Eltern oder Bezugspersonen eines Kindes mit Hörproblemen stehen im Alltag vor besonderen Herausforderungen – besonders kurz nach der Diagnose. Umso wichtiger ist es, dass sie selbst Unterstützung finden.
Hilfreich kann etwa der Austausch mit anderen betroffenen Familien sein. Der Kontakt kommt z. B. über Selbsthilfegruppen, Frühförderstellen oder soziale Medien zustande. Eltern fühlen sich von anderen betroffenen Eltern meist verstanden und das Kind merkt, dass es nicht das einzige mit Hörproblemen ist. Auch Tipps können untereinander ausgetauscht werden, etwa zum Umgang mit Hörgeräten.
Fachstellen bieten ebenfalls Unterstützung. Dazu gehören:
- Frühförderstellen, die Familien begleiten und gezielte Förderung und Elternberatung anbieten
- Hörberatungsstellen oder Sozialpädiatrische Zentren (SPZ), die über Hilfsmittel, Kommunikationsstrategien und Rechte betroffener Familien aufklären
Und nicht zuletzt brauchen Eltern für den Umgang mit ihrem Kind viel Akzeptanz und Selbstfürsorge. Dabei hilft es, sich auf das zu konzentrieren, was das Kind gut kann – nicht auf die „Defizite“. Ein stabiles Umfeld aus Familie, Freundeskreis und professionellen Helfer:innen unterstützt Eltern dabei. Diese Hilfe können sie ruhig annehmen. Denn wer gut für sich selbst sorgt, kann besser für andere da sein!